Hochwasserereignisse im Odergebiet: Das Hochwasser im Herbst 1930

Hydrometeorologische Situation

Der Herbst des Jahres 1930 hatte bereits niederschlagsreich begonnen, als sich in der letzten Oktoberwoche außerordentlich ergiebige Regen- bzw. in den Gebirgslagen auch Schneefälle im Odereinzugsgebiet ereigneten. Für das Quellgebiet von Bóbr (Bober) und Kaczawa (Katzbach) wird von 70 Stunden Starkregen berichtet. Im Zeitraum 26.-31.10.1930 wurden an Messstationen zwischen Racibórz (Ratibor) und Lebus 89 bis 212 mm Niederschlag registriert. Der im Gebirge gefallene Schnee schmolz in den folgenden Tagen. Anfang November fielen weitere, wenn auch weniger heftige Niederschläge. Ursache dieser Niederschlagsereignisse war zunächst das Aufeinandertreffen von maritim-polaren Kaltluftmassen aus Nordwesten mit feuchter Warmluft im Ostteil Mitteleuropas, die über die Zugstraße Vb vom Mittelmeer herangezogen war. Die kalten Luftströmungen schoben sich unter die Warmluft und brachten diese zum Abregnen. Die nachfolgenden Niederschläge wurden durch von Westen heranziehende maritim-subtropische Warmluft ausgelöst, die auf die maritim-polare Kaltluft aufglitt. [1][4][5][6]

Ablauf des Hochwassers

Durchflussverlauf Hochwasser 1930
Abb. 1: Durchflüsse (Tagesmittelwerte: 15.10.-30.11.1930) an ausgewählten Pegeln der Oder und Lausitzer Neiße (Nysa Łużycka)

Infolge der starken Niederschläge führten zahlreiche Oder-Zuflüsse sehr schnell beträchtliche Hochwasser, deren maximale Durchflüsse dem Hochwasserscheitel der Oder vorauseilten. Kaczawa (Katzbach), Bóbr (Bober), Barycz (Bartsch) und Lausitzer Neiße (Nysa Łużycka) waren besonders betroffen. Die Hochwasser der Zuflüsse führten wie die nachfolgenden Regenfälle und die Schneeschmelze zur Verlängerung des Hochwassers am Hauptfluss. Das Hochwasser der Oder erreichte am mittleren Gewässerlauf unterhalb von Krosno (Krossen) seine stärkste Ausprägung. In Eisenhüttenstadt trat am 06.11.1930 das Durchflussmaximum von 2500 m³/s auf (Abb. 1). Dies ist der höchste Tagesmittelwert der bis 1920 zurückreichenden kontinuierlichen amtlichen Datenreihe. In Frankfurt/Oder übertraf der Wasserstand am 06./07.11.1930 die bisher bekannte Höchstmarke von 1854 um 1 cm. Obgleich die Warta (Warthe) kein starkes Hochwasser führte, erreichte der Hochwasserscheitel in Hohensaaten am 07.11.1930 den für diesen Pegel seit 1920 zweithöchsten als Tagesmittelwert registrierten Durchfluss von 2580 m³/s. Das Wasser stieg bis 30 cm unterhalb der Krone des Deiches Stützkow-Schwedt, der stark gefährdet war. Nach Passage des Hochwasserscheitels fiel der Wasserstand insbesondere an der unteren Oder nur langsam, da der Abfluss zusätzlich durch Staufluten der Ostsee verzögert wurde. Das Hochwasser verursachte ausgedehnte Überschwemmungen im gesamten Flusstal, Sommerdeiche und Polder waren mehrere Wochen überstaut. [1][2][4][6][7]

Schadensbilanz

Überschwemmung Krosno (Krossen) 1930
Abb. 2: Bau von Notstegen in Krosno (Krossen) (November 1930; Foto aus [3] )
Überschwemmung Frankfurt/Oder 1930
Abb. 3: Überschwemmung der Fischerstraße in Frankfurt/Oder (November 1930; Foto aus [3] )

Das Katastrophenhochwasser des Jahres 1930 verursachte in zahlreichen Städten große Gebäudeschäden. So wurden in Krosno (Krossen) 220 bebaute Grundstücke überschwemmt (Abb. 2), in Frankfurt/Oder drang das Wasser in die Altstadt und ins Industrieviertel ein und floss dort in 137 Wohnungen (Abb. 3). Industrie und Gewerbe in diesen und weiteren Städten erlitten hohe Verluste und Einbußen. Unter den öffentlichen Einrichtungen wurden vor allem Straßen, Brücken und Deiche beschädigt. Nachdem die Landwirtschaft des Odergebiets im Sommer 1930 mit Dürreschäden zu kämpfen hatte, verursachten die bis zu über 3 m hohen, langanhaltenden Überschwemmungen beträchtliche Verluste an Erntegut (Zuckerrüben, Kartoffelmieten) und Einsaaten. Ferner wurden flussbegleitende Gartenkulturen vernichtet. Es entstanden bedeutende Flurschäden durch Verschlammung. Insgesamt wurde der landwirtschaftliche Schaden im Gebiet des damaligen Brandenburger Odervereins auf mindestens eine halbe Million Reichsmark geschätzt. [2][3]

Stoffliche Belastung

Informationen werden recherchiert. Hinweise sind willkommen.

Quellen, Literatur, Berichte

  • [1] Friedrich, W. (1930): Die Wasserstandsverhältnisse der norddeutschen Stromgebiete im Oktober und im Gesamtabflußjahr 1930. - Zentralblatt der Bauverwaltung 50 (50): 873, Berlin
  • [2] Gährs (1931): Die Arbeiten der Reichswasserstraßenverwaltung im Jahre 1930. - Die Bautechnik 9 (2/4/7/9): 21-24, 47-51, 87-90, 114-118, Berlin
  • [3] Brandenburgischer Oderverein (Hrsg.) (1931): Die Schäden des Oder-Hochwassers von 1930. - Schriften des Brandenburgischen Odervereins 3: 1-15, 3 Taf., Frankfurt/O.
  • Fickert, R. (1932): Die Hochwässer in der Sächsischen Lausitz im Juni 1926 und Oktober/November 1930. - Wasserkraft und Wasserwirtschaft 27 (21/22/23): 241-245, 258-262, 272-274, München u. Berlin
  • [4] Preußische Landesanstalt für Gewässerkunde und Hauptnivellements (Hrsg.) (1934): Jahrbuch für die Gewässerkunde Norddeutschlands: Abflußjahr 1931. - E.S. Mittler und Sohn, Berlin
  • [5] Wechmann (1931): Der Hochwasserschutz in Schlesien und die Lehren des Hochwassers vom Herbst 1930. - Der Kulturtechniker 34 (3/4): 258-272, Breslau
  • [6] Hodes, F. (1934): Die Überschwemmungen im Elbe-Oder-Gebiet (1901-1925). - Dissertation. Goethe-Universität Frankfurt/M. Verlag K. Triltsch: I-VIII, 1-92, Würzburg
  • [7] Mengel, P.F. (1934): Die Deichverwaltung des Oderbruches. - In: Mengel, P.F. (Hrsg.): Das Oderbruch. - 2. Bd.: Verlagsgesellschaft R. Müller: 292-405, Eberswalde (Reprint 2003; Verlag viademica, Berlin)
  • Roschke, G. (1939): Niederschlag und Abfluß des Queisgebietes im Zeitraum 1926/1935. - Deutsche Wasserwirtschaft 34 (4/5): 153-159, 217-224, München u. Stuttgart