Niedrigwasserereignisse im Rheingebiet: Das Niedrigwasser im Sommer und Herbst 2003

Hydrometeorologische Situation

Prozentualer Niederschlag Rheingebiet 2002/2003
Abb. 1: Prozentuale monatliche Niederschlagssumme im hydrologischen Jahr 2003 in Teileinzugsgebieten des Rheins (innerhalb Deutschlands) in Bezug zum langjährigen Mittel (1961/90). Daten aus [1]

Obgleich das hydrologische Jahr 2003 mit weit überdurchschnittlichen Niederschlägen begann, entwickelte es sich zu einem ausgesprochenen Trockenjahr. Im Februar und April sowie von Juni bis September waren für das Rheingebiet beträchtliche Niederschlagsdefizite gegenüber dem langjährigen Durchschnitt zu verzeichen (Abb. 1). Südlich bis einschließlich des Maingebiets entstand ein größeres sommerliches Niederschlagsdefizit als nördlich des Mains. Im trockensten Sommermonat August erhielt das Maingebiet lediglich 19 mm Regen, im südlichen und nördlichen Rheingebiet fielen innerhalb Deutschlands ca. 40 mm. Erst mit stärkeren Regenfällen Ende September und im ersten Oktoberdrittel endete die ausgedehnte Trockenperiode. [1][6]
Die Niederschlagsanomalie ging mit einer Temperaturanomalie einher: der Sommer 2003 war in Deutschland der heißeste seit 1901, wobei im Süden stärkere Abweichungen vom Normalwert der Lufttemperatur auftraten als nördlich des Mains. Der Juni war südlich von Main und Mosel der heißeste seit Messbeginn. Im Juli/August betrug die Maximaltemperatur in Freiburg und Karlsruhe an 54 aufeinanderfolgenden Tagen mindestens 25 °C, wobei vom 1.-14. August mindestens 30 °C erreicht wurden. Tagesmaxima bis zur Rekordhöhe von 40,2 °C stellten sich ein. [1][6][13]

Ablauf des Niedrigwassers

Durchflussverlauf Niedrigwasser 2003
Abb. 2: Durchflüsse (Tagesmittelwerte: 15.07.-15.10.2003) an ausgewählten Pegeln im Rheingebiet

Bereits im März/April sank der Durchfluss im Rhein deutlich unter den langjährigen Durchschnitt (MQ1931/2000), der an Pegeln unterhalb der Mosel (z.B. Andernach, Köln, Düsseldorf, Rees) im gesamten Jahr nicht mehr erreicht wurde. Aufgrund der sommerlichen Schmelzwasserspeisung aus dem alpinen Einzugsgebietsanteil und des ausgleichenden Bodenseeeinflusses setzte die Niedrigwasserperiode am Rhein später ein als an den großen Nebenflüssen (Abb. 2) und an anderen Strömen (Elbe, Oder). Der langjährige mittlere Niedrigwasserdurchfluss (MNQ1931/2000, nachfolgend nur MNQ) wurde an den in Abb. 2 dargestellten Rheinpegeln nicht vor dem 10. August unterschritten. An der unteren Mosel begann die Niedrigwasserperiode dagegen bereits Anfang Juli. Am Pegel Cochem wurde der niedrigste Wasserstand am 25. August beobachtet, der Durchfluss betrug nur noch rund 50% vom MNQ. Der Zeitraum sehr geringer Durchflüsse (< MNQ) stellte sich im Rhein unterhalb der Mosel deutlich früher ein als oberhalb der Neckarmündung. An den Niederrhein-Pegeln Köln und Rees war der Durchfluss vom 10. August bis zum 7. Oktober mit Ausnahme weniger Tage stets kleiner als MNQ. Am 23. September sank der Bodenseespiegel bei Konstanz auf den tiefsten Septemberwasserstand seit Messbeginn (1902) [3]. Extrem niedrige Wasserstände waren im letzten Septemberdrittel auch im Rhein zu beobachten, insbesondere am 28./29. September. Die Durchflüsse betrugen in diesen Tagen an repräsentativen Pegeln am Ober-, Mittel- und Niederrhein nur noch drei Viertel vom MNQ. Im ersten Oktoberdrittel stiegen die Flusspegel infolge der Niederschläge wieder steil an (Abb. 2).

Schadensbilanz

Rhein August 2003 Oberwesel
Abb. 3: Rhein bei Oberwesel am 24. August 2003 (Foto: W. Wiechmann, BfG)

Die lang anhaltende Trockenperiode führte in der Landwirtschaft zu Ertragseinbußen, die im südlichen Rheingebiet besonders hoch ausfielen. Vor allem Getreide-, Kartoffel-, Zuckerrüben- und Maiskulturen sowie Grünland brachten Mindererträge. Die Binnenschifffahrt hatte im zweiten Halbjahr 2003 aufgrund des Niedrigwassers einen erheblichen Rückgang der Beförderungsmengen zu verzeichnen. Auf dem Rhein kam die Schifffahrt zwar nicht zum Erliegen, die Ladung musste bei großen Schiffen jedoch erheblich reduziert werden. Beispielsweise konnten Containerschiffe zeitweise durchschnittlich nur noch 20-30% ihrer Frachtkapazität nutzen. Während die großen Langstrecken-Fahrgastschiffe phasenweise nicht einsetzbar waren, konnte die Kurzstrecken-Personenschifffahrt eine Steigerung der Fahrgastzahlen verbuchen. Am 28. September lief das Passagierschiff "Loreley" gegenüber dem Loreleyfelsen auf Grund, wobei 45 Fahrgäste Verletzungen erlitten. Die Trockenperiode führte zu ernergiewirtschaftlich angespannten Verhältnissen: Atom- und Kohlekraftwerke mit hohem Kühlwasserbedarf mussten aufgrund der starken Flusswassererwärmung (Abb. 4) ihre Leistung drosseln. Sondergenehmigungen ermöglichten zeitweise eine höhere Einleitungstemperatur bzw. höhere Mischtemperaturen im Gewässer als im Normalbetrieb. Wasser- und Windkraftwerke konnten zu dieser Zeit ebenfalls nur reduzierte Energiemengen liefern (geringe Speichermengen/niedriger Durchfluss bzw. sommerliche Windflaute). Obgleich in Deutschland kein Energieengpass eintrat, verteuerten sich die Strompreise. [4][10][12][14]

Stoffliche und hygienische Belastung

Wassertemperatur Rhein 2003
Abb. 4: Jahresgang der Wassertemperatur-Tagesmittel im Rhein bei Koblenz im Jahr 2003 (rote Linie) im Vergleich zum Jahresgang der langjährigen Wassertemperatur-Tagesmittel (1978-2002, blaue Linie) sowie im Vergleich zum Jahresgang der Schwankungsbreite zwischen dem langjährigen Tagesmaximum und Tagesminimum der Wassertemperatur (graue Fläche) (Grafik: M. Keller, BfG)
Muschelsterben Rhein 2003
Abb. 5: Schalen der Körbchenmuschel (Corbicula) am Ufer der Rheins bei Oberwesel am 24. August 2003 (Foto: W. Wiechmann, BfG)

Trockenheit und hohe Lufttemperaturen ließen die Wassertemperatur in den Flüssen stark ansteigen. Die Tagesdurchschnittstemperatur lag im Rhein bei Koblenz von Mitte April bis Anfang Oktober fast kontinuierlich über dem langjährigen Tagesmittel (Abb. 4). An 41 Tagen überstieg das Tagesmittel 25 °C. Im August wurden im Rhein Rekordwerte der Tagesmitteltemperatur erreicht, z.B. am 9. August bei Koblenz 28,1 °C und am 12. August bei Karlsruhe 27,1 °C. An den Nebenflüssen erwärmten sich insbesondere die langsamfließenden und staugeregelten Abschnitte sehr stark (z.B. Neckar, Main, Saar, Mosel, Lippe), wobei teilweise Maximaltemperaturen um 30 °C auftraten. Auch im Bodensee-Untersee erreichte die Wassertemperatur 30 °C. Trotz der Erwärmung blieb die Sauerstoffkonzentration im Rhein > 6 mg/l. In Saar und Neckar sank der Sauerstoffgehalt zeitweise unter den fischkritischen Wert von 4 mg/l. Erwärmung und intensive Sonneneinstrahlung führten zur Massenentwicklung von Algen, deren Photosyntheseaktivität Sauerstoffübersättigungen und im Hochrhein unterhalb von Schaffhausen auffällige Kalkausscheidungen (biogene Entkalkung) mit Schaumbildung und milchiger Wasserfärbung verursachte. Die Salz- und Nährstoffbelastung des Rheins entsprach im Jahr 2003 etwa dem Niveau der Vorjahre. Eine Zunahme der hygienischen Belastung des Rheins infolge des Niedrigwassers wurde nicht festgestellt. [2][5][7-9][11][14]
Die hohen Wassertemperaturen und die Einschränkung des Lebensraumes infolge des Niedrigwassers (Abb. 3) führten in Verbindung mit weiteren Stressoren zu Fisch- und Muschelsterben. Im Hochrhein trat ein Äschensterben auf, im Bodensee-Untersee sowie in den Rheinabschnitten von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen starben Aale in größerem Umfang. Das auffällige Muschelsterben, das an mehreren Flussabschnitten vom Oberrhein bis nach Nordrhein-Westfalen zu beobachten war, betraf die ursprünglich aus Asien stammende Körbchenmuschel (Gattung Corbicula, Abb. 5), die den Rhein erst seit den 1980er Jahren besiedelt. [8][9][11][14]

Quellen, Literatur, Berichte

  • [1] Deutscher Wetterdienst (Hrsg.) [2002-2004]: Witterungsreport - express. - Monatshefte 11/2002 bis 10/2003. Offenbach.
  • [2] Belz, J.U., Bergfeld, T., Engel, H., Heininger, P., Keller, M., Kolb, S., Koop, J.H.E., Krahe, P., Meyer, F., Müller, D., Rademacher, S., Schöl, A., Wahl, D. & Wetzel, M. (2004): Das Niedrigwasser-Jahr 2003. - In: Bundesanstalt für Gewässerkunde (Hrsg.): Jahresbericht 2003. - 9-27, Koblenz
  • [3] Belz, J.U., Engel, H. & Krahe, P. (2004): Das Niedrigwasser 2003 in Deutschlands Stromgebieten. - Hydrologie und Wasserbewirtschaftung 48 (4): 162-169, Koblenz
  • [4] Bundesamt für Güterverkehr (Hrsg.) (2004): Marktbeobachtung Güterverkehr, Jahresbericht 2003. - 1-38, Köln
  • [5] Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Hrsg.) (2004): Auswirkungen des Hitzesommers 2003 auf die Gewässer. - Schriftenreihe Umwelt 369. 1-174, Bern
  • [6] Deutscher Wetterdienst (Hrsg.) [2004]: Witterungsreport - Jahresausgabe 2003. - Offenbach
  • [7] Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (Hrsg.) (2004): Wärmebelastung der Gewässer im Sommer 2003. Zusammenfassung der nationalen Situationsberichte. - 70. Plenarsitzung (8./9.Jul.2004, Bern). IKSR-Bericht 142d: 1-46, Koblenz
  • [8] Landesamt für Wasserwirtschaft Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2004): Sommer 2003 - Ein wasserwirtschaftlicher Bericht zur Hitzeperiode im Jahre 2003. - LfW 202/04 (korrigierte Fassung): 1-57, Mainz
  • [9] Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (Hrsg.) (2004): Das Niedrigwasserjahr 2003. - Oberirdische Gewässer, Gewässerökologie 85: 1-36, Anh., Karlsruhe
  • [10] Löpmeier, F.-J. (2004): Die agrarmeteorologische Situation. - In: Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): Klimastatusbericht 2003. - 84-93, Offenbach
  • [11] Mehlig, B., Pohlmann, M., Christmann, K.-H., Lowis, J., Willemsen, H.-G., Storch, S., Huth, E., Arndt-Dietrich, I., Brinkmann, M., Guhl, B. & Winkhaus, E. (2004): Das hydrologische Jahr 2003 und das außergewöhnliche Niedrigwasser des Rheins im Sommer 2003. - In: Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Jahresbericht 2003. - 47-62, Essen
  • [12] Mühl, H. (2004): Hochwaser-Niedrigwasser-Eisgänge: Geißeln der Flussbewohner (Teil IX: Niedrigwasser II). - Hansen-Blatt 57: 99-110, St. Goar
  • [13] Müller-Westermeier, G. & Riecke, W. (2004): Die Witterung in Deutschland. - In: Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): Klimastatusbericht 2003. - 71-78, Offenbach
  • [14] Koehler, G., Schwab, M., Hauff, M.v., Kluth, K., Finke, W. & Belz, J.U. (2006): Niedrigwasserperiode 2003 in Deutschland. Ursachen-Wirkungen-Folgen. - Mitteilungen (Bundesanstalt für Gewässerkunde) 27: 1-211, [Anh.: CD-ROM], Koblenz
  • Koehler, G., Schwab, M., Finke, W. & Belz, J.U. (2007): Überblick zur Niedrigwasserperiode 2003 in Deutschland: Ursachen - Wirkungen - Folgen. - Hydrologie und Wasserbewirtschaftung 51 (3): 118-129, Koblenz
  • Zwolsman, J.J.G. & Bokhoven, v., A.J. (2007): Impact of summer droughts on water quality of the Rhine River - a preview of climate change? - Water Science & Technology 56 (4): 45-55, Bristol