Hochwasserereignisse im Donaugebiet: Das Julihochwasser 1954

Hydrometeorologische Situation

Niederschlag Donaugebiet Juli 1954
Abb. 1: "Hochwasserregen" (Viertagessumme 7.-11.7.1954) an Messstellen im Donautal im Vergleich zur mittleren Niederschlagssumme im Monat Juli der Zeitreihe 1901 bis 1950 (Daten aus [4])

Ab dem 27.6.1954 führten Kaltluftmassen aus Nordwesten im Donauraum zu täglichen Regenfällen. Am 1.7. löste ein auf der Zugstraße Vb nach Nordosten wanderndes Mittelmeertief im südlichen Donaugebiet ergiebigen Regen aus. Auch an den Folgetagen regnete es verbreitet. Der "Hochwasserregen" begann am Morgen des 7.7. unter dem Einfluss eines weiteren auf der Zugstraße Vb nach Nordosten ziehenden Tiefs und erfasste zunächst den Südwesten und Süden des Donaugebiets sowie den Bayerischen Wald. Einströmende subtropische Luftmassen aus Osteuropa bewirkten eine Verstärkung der Niederschläge, die sich nun auch über den nordbayerischen Donauraum ausdehnten. Die Nordströmung drückte die übereinandergeschichteten Luftmassen gegen die Alpen, so dass das Niederschlagsgeschehen durch orografische Hebung weiter intensiviert wurde. Erst vom 10. auf den 11.7. ließ der Regen nach. Am stärksten vom "Hochwasserregen" betroffen war der Südosten Bayerns, wo vom 7.-11.7. bis über 400 mm Niederschlag fielen, aber auch im Bayerischen Wald wurden in diesen vier Tagen bis zu mehr als 250 mm Niederschlag registriert. Messwerte aus dem Donautal sind in Abb. 1 dargestellt. [3][4]

Ablauf des Hochwassers

Durchflussverlauf Hochwasser 1954
Abb. 2: Durchflüsse (Tagesmittelwerte: 26.6.-31.7.1954) an ausgewählten Pegeln im Donaugebiet

Der Hochwasserregen ab dem 7.7.1954 wurde auf dem schon durchfeuchteten Boden schnell abflusswirksam; die Donau sowie ihre südlichen Zuflüsse wiesen bereits im Vorfeld eine starke Wasserführung auf. Aus den ergiebigen und anhaltenden Niederschlägen entwickelte sich ab Regensburg ein extremes Donauhochwasser. Die Hochwasserscheitel von Naab und Donau trafen zeitgleich aufeinander (12.7.) und die vorauslaufendende, aber nur langsam abfallende Hochwasserwelle des Regen verstärkte die Donauflut. Die Isar trug zur Verschärfung des Hochwassers bei, da ihr Scheitel nur ungewöhnlich kurze Zeit vor dem Donauscheitel eintraf (am 11.7.) und ihre Flutwelle langgestreckt war (Abb. 2). Weiterhin erhielt die Donau beachtliche Zuflüsse aus dem außerordentlich überregneten Gebiet zwischen Hofkirchen und Passau. Maßgeblich für das Donauhochwasser ab Passau war der Inn, dessen Scheitel am 10.7. Passau erreichte. Die Hochwasserwellen von Inn und Salzach waren typischerweise fast zeitgleich zusammengeflossen, ungewöhnlich war eine niederschlagsbedingt große Verstärkung der Flutwelle unterhalb der Salzachmündung. Der Inn erreichte im Unterlauf fast das Hochwasser von 1899 und führte in Passau am 10.7. nahezu dreimal so viel Wasser wie die Donau.
Der Scheitel der Donauflut traf am 13.7. in Passau ein und verzögerte den Ablauf des Inn-Hochwassers. Am rückstaubeeinflussten Donaupegel Passau, Maxbrücke (heute Pegel Schanzlbrücke) wurde ein neuer Höchststand registriert und auch auf dem folgenden Donauabschnitt in Oberösterreich blieb der Wasserstand bis zur Mündung der Enns über dem von 1899. Da Enns und Traun nur relativ wenig Wasser führten und die Abflussspitzen der niederösterreichischen Zuflüsse schon mehrere Tage vor Passage des Donauscheitels abgeflossen waren, flachte sich die Flutwelle der Donau in Niederösterreich ab. [3][5][10]

Schadensbilanz

Julihochwasser 1954 Passau
Abb. 3: Passau im Juli 1954 bei noch steigendem Wasserstand (Bildquelle: Bundesanstalt für Wasserbau, Verkehrswasserbauliche Zentralbibliothek, Nr. HB1344)

Das Hochwasser verursachte in Bayern beträchtliche Schäden. 12 Menschen starben, 9 Personen wurden schwer verletzt. Von den Überschwemmungen (> 150.000 ha) waren 1701 Gemeinden und Städte betroffen, über 9000 Personen mussten evakuiert werden. Große Teile des Stadtgebiets von Passau waren überflutet (Abb. 3). Der meiste Hochwasserschaden trat in den Regierungsbezirken Oberbayern, Niederbayern und Oberpfalz auf. Der Gesamtschaden wurde auf rund 120 Mio. DM beziffert, wovon fast ein Drittel auf die Landwirtschaft entfiel. Großer Schaden entstand auch an den Gewässern bzw. wasserbaulichen Anlagen, Landverkehrswegen und Gebäuden. [2][8]
In Österreich entstanden besonders schwere Schäden im weiträumig überfluteten Eferdinger Becken und im Raum Linz. Mehr als 2000 ha der Stadt Linz standen unter Wasser, 5500 Personen wurden dort evakuiert. In Schärding am Inn mussten 833 Personen evakuiert werden, der Gesamtschaden im Stadtgebiet belief sich auf 9,6 Mio. Schilling. Allein der Schaden an Uferschutz- und Regulierungsbauten wurde für die Donau mit 23 Mio. Schilling und für das Inngebiet mit 40 Mio. Schilling angegeben. Das Hochwasser im Juli 1954 gilt als größte Hochwasserkatastrophe des 20. Jahrhunderts im bayerisch-österreichischen Donauraum. [9][10][11}[12]

Stoffliche Belastung

Schwebstoffe Donau 1954
Abb. 4: Schwebstoffkonzentration der Donau in Ingolstadt (Eisenbahnbrücke) im Jahr 1954 (Daten aus [1][6])

Während des Hochwassers wurden typischerweise hohe Schwebstoffkonzentrationen gemessen. Wie Abb. 4 für die Donau in Ingolstadt zeigt, traten die höchste Schwebstoffkonzentration der täglichen Stichproben und der größte Monatsmittelwert des Jahres 1954 im Hochwassermonat Juli auf. Gleichlautende Verhältnisse wurden beispielsweise auch an der Donau in Ulm, an der Lech in Füssen und an der Isar in München beobachtet.
An der Donau in Vilshofen übertrafen die Monatsmittelwerte der Schwebstoffkonzentration im Mai und Juni den Mittelwert im Juli, jedoch wurde im Juli die höchste Einzelprobenkonzentration des Jahres ermittelt (366 mg/l). Am Inn in Griesstätt (nördlich von Rosenheim) war die Konzentration der Schwebstoffe im Juni am höchsten (bis zu 4310 mg/l). [1][6][7]

Quellen, Literatur, Berichte

  • Hauer, H. (1954): Ein Tief auf der Zugstraße Vb - Die meteorologischen Ursachen der Hochwasserkatastrophe im Juli 1954. - Naturwissenschaftliche Rundschau 7 (12): 501-503, Stuttgart
  • Reichel, E. (1954): Der Hochwasserregen im Donaugebiet vom 7. bis 11. Juli 1954. - Beilage zum Schnellbericht des Deutschen Wetterdienstes für Südbayern - Juli 1954. Wetteramt München (Hrsg.): 1-17, Anl., München
  • Schweitzer, H. (1954): Die Hochwasserkatastrophe in Bayern im Juli 1954. - Die Umschau 54 (16): 503-504, Frankfurt/M.
  • [1] Bayerische Landesstelle für Gewässerkunde (Hrsg.) (1955): Deutsches Gewässerkundliches Jahrbuch: Donaugebiet - Abflußjahr 1954. - 1-116, 1 Kt., München
  • [2] Bayerisches Staatsministerium des Innern [ca. 1955]: Die Hochwasserkatastrophe des Jahres 1954 in Bayern. - 1-64, Anl., München
  • [3] Kern, H. & Völk, J. (1955): Die meteorologischen Ursachen und der Ablauf des Donauhochwassers im Juli 1954 in Bayern. - Besondere Mitteilungen zum Deutschen Gewässerkundlichen Jahrbuch 12 (Gewässerkundliche Tagung Freiburg 1955): 85-92, Koblenz
  • [4] Kern, H. (1955): Der Hochwasserregen. - In: Bayerische Landesstelle für Gewässerkunde München (Hrsg.): Das Hochwasser im Bayerischen Donaugebiet im Juli 1954. - Besondere Mitteilungen zum Deutschen Gewässerkundlichen Jahrbuch 14: 7-16, 4 Anl., München
  • Kraus, O. (1955): Die Flut ist vorüber! Gedanken zur bayerischen Hochwasserkatastrophe vom Juli 1954. - Natur und Landschaft 30 (1): 1-3, Lüneburg
  • [5] Völk, J. (1955): Der Ablauf des Hochwassers. Beziehungen zwischen Niederschlag und Abfluß. - In: Bayerische Landesstelle für Gewässerkunde München (Hrsg.): Das Hochwasser im Bayerischen Donaugebiet im Juli 1954. - Besondere Mitteilungen zum Deutschen Gewässerkundlichen Jahrbuch 14: 17-75, 12 Anl., München
  • [6] Bayerische Landesstelle für Gewässerkunde (Hrsg.) (1956): Deutsches Gewässerkundliches Jahrbuch: Donaugebiet - Abflußjahr 1955. - 1-116, 1 Kt., München
  • Schulz, H. (1958): Hydrologische Karte zur Veranschaulichung gewässerkundlicher Werte und Vorgänge. - Deutsche Gewässerkundliche Mitteilungen Sonderheft 1958: 58-64, Koblenz
  • [7] Bundesanstalt für Gewässerkunde (Hrsg.) (1960): Deutsches Gewässerkundliches Jahrbuch: Allgemeiner Teil - Abflußjahre 1951/1955. - 1-127, Anl., Koblenz
  • [8] Wasserwirtschaftsamt Passau (Hrsg.) (2004): Das Hochwasser im Jahre 1954. - 1-19, Passau
  • Schwierczinski, R. (2014): Das Jahrhunderthochwasser 1954 in Bayern
  • Wasserwirtschaftsamt Deggendorf: Hochwasser in Passau 1954
  • Bundesarchiv-Filmarchiv: Überschwemmungskatastrophe in Bayern. - Wochenschauarchiv Sign. WIB 107, Berlin
Das Hochwasser in Österreich
  • [9] Engl, F. [1954]: Das Hochwasser in Schärding am Inn vom 8.-11. Juli 1954. - Gemeindeamt der Stadt Schärding am Inn, Oberösterreich
  • Kletter, L. (1954): Die Hochwasserkatastrophe in Österreich im Juli 1954. - Wetter und Leben 6: 157-163, Wien
  • Glasel, E. (1955): Das Juli-Hochwasser 1954 im österreichischen Donaugebiet. - Beiträge zur Hydrographie Österreichs 29. Hydrographisches Zentralbüro: 1-139, 4 Anl., Wien
  • [10] Kresser, W. (1955): Das Juli-Hochwasser 1954 im österreichischen Donaugebiet. - Österreichische Wasserwirtschaft 7 (3): 45-57, Wien
  • [11] Österreichischer Wasserwirtschaftsverband (1955): Bericht 1954 des Österreichischen Wasserwirtschaftsverbandes. - Österreichische Wasserwirtschaft 7 (5/6): 134-144, Wien
  • Embacher, F. (1956): Die Hochwasserabflußmenge der österreichischen Donau im Juli 1954. - Österreichische Wasserwirtschaft 8 (8/9): 233-241, Wien
  • Schmutterer, J. (1956): Das Katastrophenhochwasser 1954. Was geschah und was zu tun ist. - Österreichische Wasserwirtschaft 8 (2): 21-26, Wien
  • [12] Sandgruber, R. (2008): Hochwasser in Oberösterreich
  • ALPHA Österreich / Filmarchiv Austria: Jahresvideo 1954: Ein Bericht über eine der schlimmsten Hochwasserkatastrophen Österreichs.