Niedrigwasserereignisse im Elbegebiet: Das Niedrigwasser im Sommer / Herbst 1921

Hydrometeorologische Situation

Jahresniederschlag 1921
Abb. 1: Jahressumme des Niederschlags 1921 aus monatlichen Rasterdaten für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Daten: DWD-CDC (aus [9])

Das Jahr 1921 war durch lange zusammenhängende Zeiträume niederschlagsarmer Großwetterlagen geprägt. Mit 24 Tagen (28.9. - 21.10.1921) hatte die Großwetterlage "Hoch über Mitteleuropa" die längste Andauer im 20. Jahrhundert. Der außerordentlich trockene Spätherbst des Jahres 1920 brachte großteils nur 10-25 %, in Böhmen, dem Havelland und der Altmark sogar weniger als 10 % der langjährigen durchschnittlichen Niederschlagsmenge, lediglich im Bereich des Harzes bis zu 75 % (siehe Abb. 1 zum Rheinniedrigwasser 1921). Nach kurzer Unterbrechung durch einen feuchten Januar fielen von Februar bis Oktober 1921 im mittleren Bereich des Elbeeinzugsgebiets 75-100 % und im Süden und Norden nur 50-75 % der langjährigen durchschnittlichen Niederschlagsmenge (siehe Abb. 1 zum Oderniedrigwasser 1921). Insbesondere der März war sehr trocken. Auch im Juli, August, September und Oktober traten immer wieder Zeiträume von ein bis drei Wochen ohne bzw. mit extrem geringen Niederschlägen auf.
Ende Juli / Anfang August brachte eine Hitzewelle Höchsttemperaturen von 36,5 °C in Magdeburg und 35,8 °C in Jena. Die Sonnenscheindauer des Jahres 1921 war außergewöhnlich hoch mit 1814 Sonnenstunden in Jena, 1936 Sonnenstunden in Magdeburg und sogar 2296 Sonnenstunden in Halle / Saale. In Halle wurden in den Monaten Juli, August und September 66 - 67 % der astronomisch möglichen Sonnenscheindauer erreicht. [4][6][7][9]

Ablauf des Niedrigwassers

Durchflussverlauf Niedrigwasser 1921
Abb. 2: Durchflüsse (Tageswerte: 01.07. bis 20.11.1921) an ausgewählten Elbepegeln

Die Wasserführung der Elbe nahm von März bis Anfang November 1921 fast kontinuierlich ab und war im Zeitraum August bis Oktober beonders gering. Danach stieg die Wasserführung sehr verhalten, Mittelwasser wurde erst wieder im Januar 1922 erreicht.
Der niedrigste Wasserstand / Durchfluss wurde am Pegel Dresden am 6./7. August registriert, am Pegel Barby am 10. August und am Pegel Wittenberge am 12. August. In Děčín (Tetschen) wurden im Juli / August 1921 Niedrigwassermarken in einen sogenannten "Hungerstein" geschlagen. [8]
Von etwa Mitte August bis Ende Oktober lag der Durchfluss am Pegel Dresden andauernd unterhalb des mittleren langjährigen Niedrigwasserdurchflusses (MNQ), am Pegel Wittenberge wurde MNQ von Mitte Juli bis etwa Mitte November dauerhaft unterschritten. Extrem war an diesen Pegeln mit rund 130 Tagen auch die Summe der Tage im Kalenderjahr mit einem Durchfluss unterhalb des MNQ. Nur wenige Niedrigwasserjahre, u.a. 1911, 1934 und 2018 weisen noch mehr von diesen Tagen auf.
Trockenheit und außergewöhnliches Niedrigwasser beschränkten sich nicht auf die Elbe, sondern waren deutschlandweit in den Flussgebieten von Oder, Weser, Rhein und Donau zu beobachten. [9]

Schadensbilanz

Der Ernteertrag bei Kartoffeln und beim Wiesenheu war 1921 wegen der langanhaltenden sommerlichen Trockenheit geringer als im Vorjahr (z. B. Brandenburg ca. 25 % weniger Heu und 20 % weniger Kartoffeln, Anhalt sogar ca. 35 % weniger Kartoffeln und Heu), beim Getreide jedoch etwas höher. [5]
Die Schifffahrt auf der Elbe war von August bis Oktober niedrigwasserbedingt stark eingeschränkt. Schiffe konnten nicht voll beladen werden oder mussten leichtern. Es war eine Zunahme des Schiffsverkehrs (Anzahl der Schiffe) zu beobachten, die wegen der nur teilweisen Beladung jedoch mit einer Abnahme der Güterbeförderung einherging. Gegenüber dem Vorjahr 1920 sank die Beförderungsleistung der Binnenschifffahrt (Güterverkehr) im Elbegebiet um etwa 9 %, was jedoch auch auf Kriegsnachwirkungen wie die Abtretung eines Teils der Binnenschifffahrtsflotte gemäß Versailler Vertrag zurückzuführen war. [3]

Stoffliche und hygienische Belastung

Wasserbeschaffenheit Elbe 1921
Abb. 3: Chloridkonzentration und Wasserhärte der Elbe in Magdeburg, rechtes Ufer im Jahr 1921 und Durchfluss am Pegel Magdeburg-Strombrücke (nach [1] aus [9])

Die Abwasserbelastung der Elbe trat während des Niedrigwassers durch die fehlende Verdünnung deutlicher in Erscheinung. Bei einer Bereisung der Elbe oberhalb von Dresden am 5. August 1921 durch die Landesstelle für öffentliche Gesundheitspflege wurde dokumentiert:

"Die Elbe bot an dieser Stelle zur Zeit der Besichtigung einen sehr unerfreulichen Eindruck, infolge des niederen Wasserstandes lagen viele Einflußrohre der Fabrikwasseranlagen frei und verschmutzten die Elbe in wesentlichem Maße. [...] Das einfließende Wasser erzeugte einen starken Schaum und es war ein ungefähr 8 m breiter Schaumstreifen entstanden, der sich kilometerweit am Ufer entlang zog." [2]
Von Ende Juli bis Weihnachten 1921 wurden am rechten Elbufer in Magdeburg extrem hohe Werte für den Abdampfrückstand (bis 1150 mg/l), Glühverlust (bis 175 mg/l) und Kaliumpermanganatverbrauch (bis 52 mg/l) registriert, die mit der Zuckerrübenkampagne und entsprechend starken Einleitungen leicht abbaubarer organischer Substanz zeitlich gut übereinstimmen. In diesem Zeitraum war bei niedriger Wasserführung auch eine beträchtliche Versalzung und Verhärtung des Flusswassers festzustellen. Hauptursache dafür waren Abwässer der Kali- und Steinsalzindustrie im Saalegebiet. Abbildung 3 zeigt die Situation an der Entnahmestelle des Magdeburger Wasserwerks am rechten Elbufer. [1][9]

Quellen, Literatur, Berichte

  • [1] Stadt Magdeburg (1921/1922): Verwaltungsbericht der städtischen Gas- und Wasserwerke Magdeburg für 1920 bzw. 1921. - Magdeburg
  • [2] Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden (o.J.): 10762 Amtshauptmannschaft Pirna Nr. 3335: Verfahren der Elbeverunreinigung, 2. Bericht der Landesstelle für Öffentliche Gesundheitspflege Dresden, 26.9.1921, S. 31-36 (unveröffentlicht)
  • [3] Statistisches Reichsamt (1923): Verkehr der deutschen Binnenwasserstraßen im Jahre 1921, Erster Teil. - Statistik des Deutschen Reichs, 306 (I), Berlin
  • [4] Preußisches Meteorologisches Institut (Hrsg.) (1930): Deutsches Meteorologisches Jahrbuch Preußen und übrige norddeutsche Staaten: Ergebnisse der Beobachtungen an den Stationen II. und III. Ordnung in den Jahren 1919 - 1923, Bd. 2 von K. Joester - Veröffentlichungen des Preußischen Meteorologischen Instituts 370. Verlag J. Springer, Berlin
  • [5] Statistisches Reichsamt (Hrsg.) (1922): Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1921/22. - 42. Jg., Berlin
  • Preußische Landesanstalt für Gewässerkunde (Hrsg.) (1925): Jahrbuch für die Gewässerkunde Norddeutschlands: Abflußjahr 1922. - E.S. Mittler und Sohn, Berlin
  • Henze, H. (1926): Ergebnisse der Niederschlags-Beobachtungen in den Jahren 1921-1923. - Veröffentlichungen des Preußischen Meteorologischen Instituts 342: I-XVI, 1-95, Berlin
  • Preußische Landesanstalt für Gewässerkunde (Hrsg.) (1927): Jahrbuch für die Gewässerkunde Norddeutschlands: Abflußjahr 1921. - E.S. Mittler und Sohn, Berlin
  • [6] Grunow, J. (1935): Die Wasserklemmen der Norddeutschen Ströme in den Jahren 1891-1930. - Forschungen zur Deutschen Landes- und Volkskunde 31 (2): 1-74, 3 Taf., Stuttgart
  • [7] Werner, P.C. & F.-W. Gerstengarbe (2010): Katalog der Großwetterlagen Europas (1881 - 2009) nach Paul Hess und Helmut Brezowsky. - 7. Aufl., PIK Report 119, Potsdam
  • [8] Elleder, L. et al. (2020): Low water stage marks on hunger stones: verification for the Elbe from 1616 to 2015. - Climate of the Past 16: 1821-1846, Katlenburg-Lindau
  • [9] Schwandt, D., Helms, M., Hübner, G., Belz, J. U. & Wiechmann, W. (2022): Das extreme Niedrigwasser des Jahres 1921 in den großen Flüssen Deutschlands im Vergleich zum Niedrigwasser 2018. - Hydrologie und Wasserbewirtschaftung 66 (5): 225-243, Koblenz
  • Schwandt, D., Helms, M. & Hübner, G. (2023): Analyse der flussgebietsübergreifenden extremen Niedrigwasser der Jahre 1921, 1947 und 2018 in Deutschland. - Forum für Hydrologie und Wasserbewirtschaftung 44.23: 33-43, Hennef