Niedrigwasserereignisse im Odergebiet: Das Niedrigwasser im Sommer / Herbst 2003

Hydrometeorologische Situation

Das Jahr 2003 war in Mitteleuropa ungewöhnlich warm und trocken. Im Einzugsgebiet der Oder fielen von Dezember 2002 bis November 2003 (meteorologisches Jahr) in weiten Teilen weniger als 70% und fast überall weniger als 80% des langjährigen mittleren Jahresniederschlags (Bezugszeitraum 1961-1990). An den meisten Messstationen Brandenburgs lag die Niederschlagssumme mit Ausnahme von Januar, Juli und Oktober in allen Monaten des Jahres 2003 unter dem langjährigen Mittelwert. Als außerordentlich trocken gestalteten sich in Brandenburg die Monate Februar, Mai, Juni und August. In Ostsachsen erreichte die Trockenheit eine besonders hohe Intensität. An der Messstation Görlitz im Gebiet der Lausitzer Neiße (Nysa Łużycka) wurden nur 61% des langjährigen mittleren Jahresniederschlags gemessen, von April bis Juni fielen dort lediglich 42% des Niederschlagsmittelwerts der entsprechenden langjährigen Referenzperiode. Der Juli brachte in Sachsen wie auch in Brandenburg teilweise sehr ergiebige Regenfälle, die das ab Februar gewachsene akkumulative Niederschlagsdefizit etwas reduzierten. Der August war wiederum extrem trocken. Mit der monatlichen Niederschlagssumme von 3 mm verzeichnete Görlitz den trockensten August seit Beginn der meteorologischen Messungen. Auch der September kann für das Einzugsgebiet der Oder als trocken bezeichnet werden, da die Niederschlagssumme den langjährigen Monatsmittelwert nicht erreichte. [4][6][7][8][11]
Charakteristisch für die Witterung im trocken-heißen Juni und August waren stabile Hochdruckwetterlagen, die das Vordringen atlantischer Wetterfronten blockierten. Durch Deutschland zog sich in Nord-Süd-Richtung eine Grenze zwischen feuchteren Luftmassen im Westen und trockener Luft im Osten. Dadurch wurde in den östlichen Gebieten einerseits die Dürresituation verschärft, andererseits führte dies zu einer besseren Verträglichkeit der heißen Sommerwitterung. [2][4]

Ablauf des Niedrigwassers

Durchflussverlauf  Niedrigwasser 2003
Abb. 1: Durchflüsse (Tagesmittelwerte: 15.06.-15.10.2003) an ausgewählten Pegeln der Oder und Lausitzer Neiße (Nysa Łużycka)

Bereits ab Februar 2003 unterschritten die monatlichen Durchflüsse an den Oderpegeln Eisenhüttenstadt und Hohensaaten-Finow sowie am Pegel Guben an der Lausitzer Neiße (Nysa Łużycka) die langjährigen mittleren monatlichen Durchflusswerte. Als langjähriger Referenzzeitraum wird hier für die Oder die Spanne von 1920-2008, für die Lausitzer Neiße (Nysa Łużycka) von 1912-2008 zugrunde gelegt. Von März (Lausitzer Neiße, Nysa Łużycka) bzw. April (Oder) 2003 bis in den Februar 2004 hinein befand sich das Tagesmittel des Durchflusses an den drei vorgenannten Pegeln stets unterhalb des langjährigen mittleren Durchflusses. Die Periode sehr niedriger Wasserstände und kontinuierlich geringer Durchflüsse unterhalb des langjährigen mittleren Niedrigwassers erstreckte sich an der mittleren (Eisenhüttenstadt) und unteren Oder (Hohensaaten-Finow) von Ende Juni bis Mitte Oktober, an der unteren Lausitzer Neiße (Nysa Łużycka) bei Guben von Anfang August bis Anfang November. Im August und September sanken Wasserstand und Durchfluss von Oder und Lausitzer Neiße (Nysa Łużycka) teilweise auf ein extrem niedriges Niveau (Abb. 1). An der mittleren Oder bei Eisenhüttenstadt wurde am 3. September 2003 der kleinste bisher gemessene Tagesmittelwert des Durchflusses im Referenzzeitraum registriert. Auch die für die untere Oder (Hohensaaten-Finow, 05.09.2003) und die Lausitzer Neiße (Nysa Łużycka) (Guben, 27.08.2003) ermittelten Durchflussminima stellen im historischen Vergleich bemerkenswerte Niedrigwasser-Extremwerte dar.

Schadensbilanz

Die anhaltende Trockenheit führte in der Landwirtschaft zu teilweise sehr hohen Ertragseinbußen. Insbesondere die Getreide- und Grünlanderträge blieben vielerorts weit hinter dem Durchschnitt zurück. Der Wassermangel schränkte beispielsweise aber auch die Entwicklung von Mais-, Zuckerrüben- und Kartoffelkulturen ein. Beachtliche Schäden infolge von Trockenstress verzeichnete auch die Forstwirtschaft. [5][9][11]
Das Niedrigwasser beeinträchtigte die Elektrizitätswirtschaft in zweifacher Hinsicht: einerseits war die Stromerzeugung aufgrund der geringeren Durchflüsse reduziert, andererseits musste die Steuerung der Kühlwasserkreisläufe von Kraftwerken den erhöhten Flusswassertemperaturen Rechnung tragen. [9]
Der Schiffsverkehr auf der Oder war vom Niedrigwasser relativ stark betroffen. Mit Ausnahme der nicht beeinträchtigten Transportstrecke Berlin-Szczecin (Stettin) war auf der Oder während der Niedrigwasserphase kein Güterverkehr möglich. Auf der Strecke zwischen Hohensaaten und Szczecin (Stettin) sank die mittlere monatliche Fahrrinnentiefe bei Passage über die Grenzoder im September 2003 unter 1 m, während der Weg über die Hohensaaten-Friedrichstaler Wasserstraße ganzjährig mittlere monatliche Fahrrinnentiefen über 2 m aufwies. [2][9][10]

Stoffliche und hygienische Belastung

Wasserbeschaffenheit Oder 2003
Abb. 2: Spannweite und Mittelwert ausgewählter Parameter zur Wasserbeschaffenheit der Oder im August/September 2003 (schmale Linien) und im gesamten Jahr 2003 (breite Linien). 1 bis 2 Stichproben pro Woche. Werte aus [3]

Die trocken-heiße Witterung im Sommer 2003 führte zur starken Erwärmung der Gewässer. Mitte August stieg die Wassertemperatur bei Frankfurt/Oder auf 26,0 °C, während die Sauerstoffkonzentration bis auf 5,1 mg/l zurückging. In der unteren Oder bei Hohenwutzen wurde zu dieser Zeit ein Temperaturmaximum von 25,6 °C und ein Sauerstoffminimum von 6,2 mg/l gemessen. [1]
In Abb. 2 werden Ergebnisse zur Wasserbeschaffenheit der mittleren und unteren Oder in den extremen Niedrigwasser-Monaten August/September den Verhältnissen im gesamten Jahr 2003 gegenübergestellt. Die Daten wurden abwechselnd von jeweils benachbarten polnischen und deutschen Messstationen erhoben [3]. Wie Abb. 2 zu entnehmen ist, bewegten sich die Werte der Elektrischen Leitfähigkeit im August/September im mittleren bzw. mittleren bis unteren Bereich der Jahresspannweite. Die durchschnittliche BSB5-Belastung der Oder war in den beiden betrachteten Monaten erhöht, an der unteren Oder bei Osinów Dolny (Niederwutzen) wurde in dieser Zeit das BSB5-Jahresmaxium (10,7 mg O2/l) erreicht. Während die mittlere Konzentration des Gesamt-Phosphats in der Oder im Bereich Frankfurt/Oder und Hohenwutzen im August/September im Vergleich zum Jahresdurchschnitt höhere Werte erreichte, lag die Konzentration der dargestellten Stickstoffparameter an allen drei betrachteten Oderabschnitten auf einem wesentlich niedrigeren Niveau. Eine starke sommerliche Verminderung der Stickstoffkonzentration aufgrund von starkem Algenwachstum ist an der Oder jedoch auch in Jahren mit typischem Abflussgeschehen zu beobachten.
Insgesamt zeigten die chemisch-physikalischen Messwerte zur Wasserbeschaffenheit der Oder im Trockenjahr 2003 keine wesentlichen Unterschiede zum Vorjahr. Die hygienische Belastung des Flusses war etwas geringer als im Jahr 2002. [3]

Quellen, Literatur, Berichte

  • [1] Belz, J.U., Bergfeld, T., Engel, H., Heininger, P., Keller, M., Kolb, S., Koop, J.H.E., Krahe, P., Meyer, F., Müller, D., Rademacher, S., Schöl, A., Wahl, D. & Wetzel, M. (2004): Das Niedrigwasser-Jahr 2003. - In: Bundesanstalt für Gewässerkunde (Hrsg.): Jahresbericht 2003. - 9-27, Koblenz
  • Belz, J.U., Engel, H. & Krahe, P. (2004): Das Niedrigwasser 2003 in Deutschlands Stromgebieten. - Hydrologie und Wasserbewirtschaftung 48 (4): 162-169, Koblenz
  • [2] Bundesamt für Güterverkehr (Hrsg.) (2004): Marktbeobachtung Güterverkehr, Jahresbericht 2003. - 1-38, Köln
  • [3] Deutsch-Polnische Grenzgewässerkommission - Arbeitsgruppe W/2 "Gewässerschutz" (2004): Untersuchung und Einschätzung der Wasserbeschaffenheit der Grenzgewässer im Jahr 2003. - Zielona Góra.
  • [4] Landesumweltamt Brandenburg (Hrsg.) (2004): Umweltdaten aus Brandenburg. Bericht 2004. - 1-204, Potsdam
  • [5] Löpmeier, F.-J. (2004): Die agrarmeteorologische Situation. - In: Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): Klimastatusbericht 2003. - 84-93, Offenbach
  • [6] Müller-Westermeier, G. & Riecke, W. (2004): Die Witterung in Deutschland. - In: Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): Klimastatusbericht 2003. - 71-78, Offenbach
  • [7] Rudolf, B. (2004): Zeitlich-räumliche Verteilung der Gebietsniederschläge in Europa. - In: Deutscher Wetterdienst (Hrsg.): Klimastatusbericht 2003. - 115-122, Offenbach
  • [8] Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (Hrsg.) (2005): Klimawandel in Sachsen. - 1-111, Dresden
  • [9] Koehler, G., Schwab, M., Hauff, M.V., Kluth, K., Finke, W. & Belz, J.U. (2006): Niedrigwasserperiode 2003 in Deutschland. Ursachen-Wirkungen-Folgen. - Mitteilungen (Bundesanstalt für Gewässerkunde) 27: 1-211, [Anh.: CD-ROM], Koblenz
  • Deutscher Wetterdienst (2006): Großwetterlage - Januar bis Dezember 2003. - Offenbach
  • Koehler, G., Schwab, M., Finke, W. & Belz, J.U. (2007): Überblick zur Niedrigwasserperiode 2003 in Deutschland: Ursachen - Wirkungen - Folgen. - Hydrologie und Wasserbewirtschaftung 51 (3): 118-129, Koblenz (Kurzfassung von [9])
  • [10] Wasser- und Schiffahrtsamt Eberswalde (2007): Der Außenbezirk Hohensaaten.- Stand: Januar 2007, Eberswalde
  • [11] Küchler, W. [ohne Jahr]: Die Dürreperiode 2003 in Sachsen. - Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie: 1-34, Dresden