Niedrigwasserereignisse im Wesergebiet: Das Niedrigwasser von Juli bis Dezember 1921

Hydrometeorologische Situation

Das Jahr 1920 endete mit einem sehr trockenen letzten Quartal, wobei insbesondere die Monate Oktober / November außerordentlich wenig Niederschlag gebracht hatten. Auf einen milden und sehr feuchten Januar, dem niederschlagsreichsten Monat des Jahres 1921, folgten wieder zwei ausgesprochen trockene Monate. Eine weitere sehr trockene Periode begann Ende Juni, die unterbrochen von einigen niederschlagsreichen Tagen im August bis weit in den Oktober hinein andauerte. In den Monaten Februar bis Oktober fielen insgesamt nur 50-75% des durchschnittlichen Niederschlags. Im Juli und August traten ferner sehr hohe Lufttemperaturen auf. Nach Niederschlägen im letzten Oktoberdrittel und Anfang November folgte verbunden mit frühzeitig einsetzendem Frost wiederum eine trockene Phase. Die niedrigen Temperaturen führten zu Eisbildung, Eisstopfung und auch zu Eisstand auf der Weser. Erst in der zweiten Dezemberhälfte endete die trocken-kalte Witterung. [6] bis [10]

Ablauf des Niedrigwassers

Durchflussverlauf Niedrigwasser 1921
Abb. 1: Durchflüsse (Tagesmittelwerte: 01.06.-31.12.1921) an ausgewählten Pegeln im Wesergebiet

Der trockene Spätherbst des Jahres 1920 ließ die Wasserstände der Flüsse im Wesergebiet bis Mitte Dezember stark absinken. Die Edertalsperre, die infolge hoher vorhergehender Wasserabgaben in das Gewässernetz in der zweiten Dezemberhälfte zeitweilig nur noch 23 Mio. m³ Wasser enthielt, konnte durch die reichlichen Niederschläge im Januar 1921 wieder fast vollständig gefüllt werden. Ende Februar waren dort 191 Mio. m³ Wasser gespeichert. Dieser Vorrat verminderte sich durch fortwährende Wasserabgabe an das Flusssystem von März bis Ende September auf 32 Mio. m³. Trotz dieser Einspeisung führte die Weser im Sommer 1921 nur noch sehr wenig Wasser (Abb. 1). Im Oktober wurde die Wasserabgabe aus der Edertalsperre eingestellt. In diesem Monat war die Wasserführung in Fulda und Weser zeitweise extrem gering. Am Pegel Intschede an der unteren Mittelweser wurde der kleinste Tagesdurchfluss am 4. und 18. Oktober ermittelt, an der unteren Fulda (Pegel Guntershausen) am 9. und an den Oberweserpegeln Hannoversch-Münden und Bodenwerder am 14. Oktober. Die Regenfälle im letzten Oktoberdrittel und Anfang November verstärkten die Wasserführung nur geringfügig und kurzzeitig (Abb. 1). Das Wasservolumen der Edertalsperre, das Ende Oktober nur noch 26 Mio. m³ betrug, konnte bis zum 21. November auf 31 Mio. m³ aufgefüllt werden, sank dann aber infolge von weiteren Wasserbereitstellungen bis zum 18. Dezember wiederum auf 26 Mio. m³. Die frühe Frostperiode im November ließ die Wasserstände im Wesergebiet in der zweiten Novemberhälfte wieder tief absinken. Ende November / Anfang Dezember war die Wasserführung der Weser wieder außerordentlich gering. Am Pegel Vlotho wurde am 1. Dezember der niedrigste Durchfluss registriert. Erst die Niederschläge in der letzten Dezemberhälfte beendeten die Niedrigwasserperiode (Abb. 1). [1][2][6][8][9]

Schadensbilanz

Mögliche Tauchtiefen 1921/1922
Tab. 1: Mögliche Tauchtiefen für die Binnenschifffahrt auf der Weser zwischen Minden und Bremen im Jahr 1921 und 1922 (nach [5] )

Die Binnenschifffahrt auf der Weser war im Jahr 1921 aufgrund des niedrigen Wasserstandes starken Beschränkungen unterworfen. Tabelle 1 bilanziert für die Weser zwischen Minden und Bremen, welche Tauchtiefenausnutzung für die Schifffahrt im Jahr 1921 und 1922 möglich war. Im Durchschnitt konnten die Frachtschiffe im Jahr 1921 nur bis zu einer Tauchtiefe von 1,24 m beladen werden, gegenüber 1,66 m im Jahr 1922. Damit war 1922 eine Mehrbeladung von ca. 85-100 t pro Schiff möglich. Die schlechte Ausnutzung der Binnenschiffe im Jahr 1921 führte vor allem im Herbst auch zu Einbußen für die Seeschifffahrt. [4][5]

Stoffliche Belastung

Wasserbeschaffenheit Weser Oktober 1921
Abb. 2: Chloridkonzentration und Härte des Weserwassers in Bremen im Oktober 1921 im Vergleich zum Durchfluss am Pegel Intschede (Tagesmittelwerte) und zu den damals geltenden vom Reichsgesundheitsrat festgesetzten Grenzwerten (nach [3] )

Bei der extrem niedrigen Wasserführung im Herbst 1921 kam es im Wesergebiet zu einem deutlichen Anstieg der Gewässerbelastung infolge der Einleitungen von salzigen und harten Abwässern aus der Kali-Industrie. Die durchschnittliche Chloridkonzentration an der unteren Werra bei Hannoversch-Münden stieg von 1059 mg/l im September 1921 auf 1284 mg/l im Folgemonat. Der Mittelwert der Wasserhärte betrug dort im September 38 °dH [6,7 mmol/l] und im Oktober 46 °dH [8,2 mmol/l]. Spitzenwerte der Chloridkonzentration der Werra bei Gerstungen unterhalb der Einleitungen aus dem Werra-Kalirevier erreichten im September 2813 mg/l und im Oktober 3440 mg/l. Trotz des verdünnenden und härtemildernden Einflusses der Fulda und weiterer Weserzuflüsse wurden die vom Reichsgesundheitsrat festgelegten Grenzwerte für die Weser in Bremen (Chlorid: 250 mg/l / Härte: 20 °dH [3,6 mmol/l]) im Oktober dauerhaft überschritten (Abb. 2). Abbildung 2 veranschaulicht ferner die ausgeprägt gegenläufige Tendenz der Chloridkonzentration der Weser bei Bremen und der Wasserführung am Pegel Intschede im Oktober 1921. [3]

Quellen, Literatur, Berichte

  • [1] Fischer, K. (1921): Die Wasserstände in den norddeutschen Stromgebieten - Monatsübersichten Jan. - Nov. 1921. - Zentralblatt der Bauverwaltung 41: 96, 148, 236, 259, 308, 372, 424, 468, 519-520, 588, 627-628, Berlin
  • [2] Sch., O. (1922): Die Wasserstände in den norddeutschen Stromgebieten - Monatsübersicht Dez. 1921. - Zentralblatt der Bauverwaltung 42: 80, Berlin
  • [3] Tjaden, H. (1922): Der gegenwärtige Stand der Flußverunreinigung durch die Abwässer der Kaliindustrie und die Wasserversorgung der Stadt Bremen. - 1-80, Bremen
  • [4] Anonymus (1922/23a): Wasserstands- und Verkehrsberichte. - Die Weser 1 (1): 16, Bremen
  • Anonymus (1922/23b): Fahrwassertiefe der Weser unterhalb Minden im Jahre 1921. - Die Weser 1 (1): 16, Bremen
  • Anonymus (1922/23c): Die Weserschiffahrt im Jahre 1922. - Die Weser 1 (10): 131, Bremen
  • Krieg (1922/23): Von der Edertalsperre. - Die Weser 1 (3): 43-44, Bremen
  • [5] Barkemeyer, C. (1923/24): Die Lage der Weserschiffahrt. - Die Weser 2 (2): 13-14, Bremen
  • Statistisches Reichsamt (1923): Verkehr der deutschen Binnenwasserstraßen im Jahre 1921. - Statistik des Deutschen Reichs 306 (I+II): I-XXII, 1-206 / I-VIII, 1-223, Berlin
  • [6] Kaßner, C. (1924): Ergebnisse der Niederschlags-Beobachtungen in den Jahren 1918-1920. - Veröffentlichungen des Preußischen Meteorologischen Instituts 323: I-XVII, 1-94, Berlin
  • [7] Preußische Landesanstalt für Gewässerkunde (Hrsg.) (1925): Jahrbuch für die Gewässerkunde Norddeutschlands: Abflußjahr 1922. - E.S. Mittler und Sohn, Berlin
  • [8] Henze, H. (1926): Ergebnisse der Niederschlags-Beobachtungen in den Jahren 1921-1923. - Veröffentlichungen des Preußischen Meteorologischen Instituts 342: I-XVI, 1-95, Berlin
  • [9] Preußische Landesanstalt für Gewässerkunde (Hrsg.) (1927): Jahrbuch für die Gewässerkunde Norddeutschlands: Abflußjahr 1921. - E.S. Mittler und Sohn, Berlin
  • Grunow, J. (1931): Über die Ursachen großer Trockenheit in Mitteleuropa. - Dissertation. Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin: 1-31, Anh., Berlin
  • [10] Grunow, J. (1935): Die Wasserklemmen der Norddeutschen Ströme in den Jahren 1891-1930. - Forschungen zur Deutschen Landes- und Volkskunde 31 (2): 1-74, 3 Taf., Stuttgart
  • Dohmann, J. (2007): Untersuchung von Niedrigwasserperioden an der Weser von 1830 bis 2005. - Diplomarbeit. Universität Göttingen (Geograph. Inst.): I-VII, 1-101, Anh., Göttingen