Niedrigwasserereignisse im Rheingebiet: Das Niedrigwasser im Sommer und Herbst 2018

Hydrometeorologische Situation

Herbstniederschlag
Abb. 1: Niederschlagshöhe im Herbst (September bis November) 2018 in Deutschland in Prozent des vieljährigen Mittels 1961-1990 (© DWD: Klimakarten Deutschland)

Ebenso wie in der zweiten Jahreshälfte 2017 fiel auch im milden Januar 2018 überdurchschnittlich viel Niederschlag, der in den Alpen als Schnee niederging. Von Februar bis November folgten jedoch nur relativ trockene Monate (vgl. Abb. 1), so dass ein beträchtliches Niederschlagsdezit entstand. Stabile Hochdruckgebiete im Nordwesten und nachfolgend im Nordosten Europas leiteten von Westen heranziehende Tiefdruckgebiete nach Norden um. Mit der ostwärtigen Verlagerung von Hochdruckgebieten im Hochsommer ging die Zufuhr heißer und trockener Luftmassen aus dem südlichen Europa einher. In Deutschland waren nach einem verhältnismäßig kühlen Februar und März alle Folgemonate wärmer als im langjährigen Mittel, insgesamt war es das bis dato wärmste und vierttrockenste Jahr seit 1881. Während einer Hitzewelle von Ende Juli bis Mitte August stieg die Lufttemperatur häufig über 30 °C. Die ausgedehnte Trockenperiode wurde erst durch überdurchschnittliche Niederschläge im Dezember beendet. [2][3]

Ablauf des Niedrigwassers

Durchflussverlauf Niedrigwasser 2018
Abb. 2: Durchflüsse (Tagesmittelwerte: 15.06.-15.12.2018) an ausgewählten Pegeln im Rheingebiet

Nach moderatem Hochwasser im Januar 2018 bewegte sich die Wasserführung des Rheins trotz der ab Februar unterdurchschnittlichen Niederschläge bis in den Juli hinein etwa auf durchschnittlichem Niveau. Stützend wirkten die im Winter gut gefüllten Grund- und Oberflächenwasserspeicher und das Schmelzwasser des alpinen Schnees. Ab Mitte Juni fiel der Durchfluss an den Rheinpegeln aber monatelang - nur unterbrochen durch kurzzeitige Niederschläge - bis zum Oktober und November (Abb. 2). Das Niedrigwassereignis war insgesamt deutlich langanhaltender und stärker ausgeprägt als das Niedrigwasser 2003. Die niedrigsten Durchflüsse stellten sich an den Rheinpegeln in der Regel im Zeitraum 20. Oktober (Pegel Worms) bis 29. Oktober (Pegel Rees und Pegel Lobith) ein, am Pegel Maxau erst am 26. November. Im langjährigen durchflussbezogenen Vergleich (statistisches Wiederkehrintervall) war der Oberrhein bis zum Pegel Maxau weniger extrem vom Niedrigwasser betroffen als der Rhein von Worms bis Lobith. Gemessen an der Niedrigwasserdauer war das Ereignis bis zur Moselmündung weniger stark ausgeprägt als unterhalb. Der Anfang Dezember einsetzende ergiebige Niederschlag beendete das Niedrigwasser. [3][4]

Schadensbilanz

Rhein_km577_20Okt2018
Abb. 3: Mittelrhein oberhalb Spay (Rhein-km 577) am 20.10.2018 (Foto: G. Hübner)

Die Frachtschifffahrt auf dem Rhein konnte während des Niedrigwassers in der Regel nur teilbeladen erfolgen (Abb. 3). Dadurch waren mehr Schiffstransporte notwendig und Kleinwasserzuschläge zu zahlen. Gegenüber dem Jahr 2017 war im Rahmen der gesamten deutschen Binnenschifffahrt - gemessen am Transportgewicht - vor allem die Fracht von Erzen, Steinen, Erden, Kokerei- und Mineralölerzeugnissen sowie von Kohle, Erdöl und Erdgas rückläufig. Prozentual stellte sich bei der Fracht von Metallen und Metallerzeugnissen das höchste Defizit ein. Die im Rheingebiet transportierte Güterfracht ging im Vergleich zum Jahr 2017 um 11,8 % zurück. [5]
Die lange Trockenheit war mit einem lange anhaltenden hohen Trinkwasserverbrauch verbunden, der bei einigen Wasserversorgern eine Auslastung bis zur Kapazitätsgrenze zur Folge hatte. Abgesehen von lokalen Ausnahmen kam es nicht zum Ausfall der zentralen Wasservorsorgung. Vereinzelt reichte die Kapazität von Brunnenwasser nicht aus. Es traten Defizite beim Füllungssgrad von Talsperren sowie beim Mindestversorgungsdruck in Wasserleitungen auf. Nicht selten überschritt die Wassertemperatur im Leitungsnetz 25 °C. [8]
Wegen der hohen Wassertemperaturen des Rheins mussten Wärmeeinleitungen aus Industrie und Kraftwerken begrenzt werden. In der Mosel kam es über zwei Monate zu einer potenziell gesundheitsgefährdenden Blaualgenblüte, weshalb der Wassersport eingeschränkt werden musste [1][3]. Aufgeheizte und austrocknende Gewässer schadeten den Fischbeständen, kälteliebende Arten gingen zurück, wärmeliebende wurden begünstigt [10].
Die Trockenheit im Sommer 2018 führte in Deutschland zu einem Rückgang des landwirtschaftlichen Produktionswerts gegenüber dem Vorjahr von über 6 %. Ertragsverluste traten vor allem bei Getreide, Raps, Eiweißpflanzen, Heu und Grassilage auf [6]. Der Dürrestress führte zu erheblichen Waldschäden. Der Kronenzustand verschlechterte sich bei allen Baumarten. Gehölzschädigende Insekten und Pilze wurden begünstigt und es kam zu vorzeitigem Laubfall. [7][9][11]
Im Zeitraum 2004 bis 2021 war im Jahr 2018 die geschätzte Zahl hitzebedingter Todesfälle in Deutschland am größten. [12]

Stoffliche Belastung

Rhein Wasserbeschaffenheit 2018
Abb. 4: Konzentration von Chlorid (links) bzw. Sulfat (rechts) im Rhein bei Lobith in Bezug zum Durchfluss (Q) am Rheinpegel Lobith beim Niedrigwasser (NW) 2015 und NW 2018 sowie an den weiteren Beprobungsterminen dieser Jahre; aus [17].

Während der sommerlichen Niedrigwasserphase wurden im Rhein sehr hohe Wassertemperaturen gemessen, teilweise deutlich über 25 °C [14][16][18], z. B. bei Koblenz bis 28 °C im Tagesmittel [16].
Der Sauerstoffgehalt blieb oberhalb fischkritischer Bereiche. Erwartungsgemäß wurden gegenläufig zur zurückgehenden Wasserführung relativ hohe Werte der elektrischen Leitfähigkeit und der Konzentration von Salzionen registriert [14][17][18] (vgl. Abb. 4), die aber keine langjährigen Konzentrationsspitzen darstellen.
Einige Schwermetalle wurden an einzelnen Rhein-Messstellen zeitweise gegenüber durchschnittlicher Wasserführung in erhöhter Konzentration nachgewiesen. Dies betraf insbesondere Konzentrationen des gelösten Anteils. Für Arsen wurden relativ hohe Konzentrationen bei Koblenz (gelöst) und Lobith (Gesamtprobe) gemessen [17].
Der niedrigwasserbedingt gestiegene Anteil des Abwassers aus industriellen und kommunalen Kläranlagen führte bei zahlreichen organischen Spurenstoffen zu deutlich erhöhten Konzentrationen. Nur als Beispiel seien genannt: 1,4 Dioxan (Lösungsmittel) [13][14][15], Trichloressigsäure, Dicyandiamid (industrieller Synthesebaustein) [15], Sucralose (Zuckeraustauschstoff) sowie die Arznei- bzw. Arzneiabbaustoffe Sitagliptin, Valsartansäure, Candesartan, Oxipurinol [14] und Metoprolol [18].

Quellen, Literatur, Berichte

Hydrometeorologie / Niedrigwasserablauf
Niedrigwasserschäden
Stoffliche Belastungen
Das Niedrigwasser im europäischen Kontext