Niedrigwasserereignisse im Rheingebiet: Das Niedrigwasser der Jahre 1920/21

Hydrometeorologische Situation

Niederschlag Mitteleuropa Okt./Nov. 1920
Abb. 1: Niederschlagsverteilung im zentralen Europa von Oktober bis November 1920 im prozentualen Vergleich zum langjährigen Mittel; aus [8] (Legende verkürzt und Lage verändert)

Von großer Bedeutung für das Niedrigwasserereignis war der außerordentlich trockene Spätherbst im Jahr 1920 (Abb. 1). Im südlichen Rheingebiet fielen im Oktober/November 1920 großenteils nur 10-25%, im Südosten sogar weniger als 10% der langjährigen durchschnittlichen Niederschlagsmenge. Die niederschlagsarme Phase erstreckte sich von Oktober 1920 bis Ende Dezember 1921 und wurde nur durch einen sehr feuchten Januar wirksam unterbrochen. 1921 gab es in den Monaten Februar/März, Juli sowie September/Oktober ausgeprägte Trockenperioden. Von Februar bis Oktober 1921 fielen im Rheingebiet weniger als die Hälfte der langjährigen mittleren Niederschlagsmenge (vgl. Abb.1 zum Oderniedrigwasser 1921). Auf einen relativ feuchten November folgte wieder eine fast bis zum Jahresende anhaltende Trockenphase. Die Niederschlagssummen des Jahres 1921 waren in Trier (383 mm) und Geisenheim (246 mm) niedriger, als alle vorher dort gemessenen. In Kleve wurde das bisherige Jahresminimum (476 mm im Jahr 1857) nur um 3 mm überschritten. [5][8][9]
Aufgrund von milden Temperaturen am Ausgang des Winters und heißer Sommermonate war das Jahr 1921 relativ warm. Im Sommer traten Höchsttemperaturen bis zu 39,4 °C auf (Karlsruhe, 28. Juli). In Trier wurden 81 Sommertage (mindestens 25 °C Höchsttemperatur) und 21 Heiße Tage (mindestens 30 °C Höchsttemperatur) registriert (langjähriges Mittel: 39 Sommertage und 7 Heiße Tage). [9]

Ablauf des Niedrigwassers

Durchflussverlauf Niedrigwasser 1920/21
Abb. 2: Durchflüsse (Tagesmittelwerte: 01.10.1920 - 31.01.1922) an ausgewählten Pegeln im Rheingebiet

Vom Herbst 1920 bis Dezember 1921 traten im Rhein vier ausgeprägte Niedrigwasserphasen auf (Abb. 2). Die erste reichte von Anfang November bis Ende Dezember 1920. In der zweiten Dezemberhälfte stellten sich insbesondere oberhalb des Neckars (Pegel Maxau) außerordentlich niedrige Durchflüsse ein. Die zweite Niedrigwasserphase von Mitte/Ende Februar bis April/Mai 1921 wurde durch die Schneearmut des Winters begünstigt und dauerte am längsten. Beispielsweise wurde am Pegel Köln der langjährige mittlere Niedrigwasserdurchfluss (MNQ1891-1920) vom 27. Februar bis zum 20. Mai (83 Tage) kontinuierlich unterschritten. Oberhalb der Mosel traten Ende März an einigen Pegeln (z.B. Worms, Kaub) extrem niedrige Durchflüsse auf. Im späteren Frühjahr und Sommer konnte der Schmelzwasserzufluss aus dem Alpenraum die aufgrund des Niederschlagsdefizits nur geringen Zuflüsse aus dem Mittelgebirge zwar nicht kompensieren, verhinderte jedoch das Auftreten extrem niedriger Wasserstände. Als zum Herbst hin bei kühleren Temperaturen die Schmelzwasserspende ins Stocken geriet, war im Rhein eine dritte Niedrigwasserphase zu beobachten, die von September bzw. Oktober (Oberrhein) bis Anfang November anhielt. Am Pegel Köln wurde der geringste Durchfluss am 31. Oktober registriert, der weniger als zwei Drittel vom MNQ1891-1920 aufwies. Die Niederschläge im November waren zu gering, um eine weitere Niedrigwasserphase im Rhein zu verhindern. Diese erstreckte sich von Ende November bis Ende Dezember. An einigen Pegeln (z.B. Andernach, Rees) wurde erst im Dezember das Durchflussminimum erreicht.
An den Hauptnebenflüssen des Rheins begann im Juni/Juli 1921 eine ausgedehnte Niedrigwasserwasserphase, die - mehr oder weniger unterbrochen durch den Novemberniederschlag - bis Ende Dezember andauerte (Abb. 2). An der Mosel bei Cochem trat bereits am 28. Juli der geringste Durchfluss des Jahres auf, der nur 37% des langjährigen mittleren Niedrigwasserdurchflusses (MNQ1901-1920) erreichte.

Schadensbilanz

Rhein bei Loreley Juli 1921
Abb. 3: Blick auf den Rhein und die Loreley im Juli 1921; im Vordergrund (linkes Ufer) tritt eine geschliffene und durch groben Geschiebetrieb geschrammte Felsfläche zu Tage (Foto aus Heineck 1925 [7] in Band 77 der "Jahrbücher des Nassauischen Vereins für Naturkunde"; Fotograf unbekannt)

Die Trockenheit verursachte Missernten in der Landwirtschaft, insbesondere die Grünlanderträge waren sehr gering. Der dadurch bedingte Preisanstieg für Futtermittel führte auch zur Verteuerung der Lebensmittel.
Bei der Wasserversorgung traten Engpässe auf. Wasserwerke mussten erweitert und Hausbrunnen vertieft werden. Viele Talsperren konnten sich im Winter 1920/21 nicht ausreichend auffüllen, um den Wasserbedarf des folgenden Trockenjahres zu decken. Industrie, Kommunen und Privathaushalte mussten ihren Wasserverbrauch einschränken. Wasserkraftwerke konnten nur eine reduzierte Energiemenge bereitsstellen.
Trotz des Niedrigwassers konnte die Schifffahrt auf dem Rhein aufrechterhalten werden, großenteils jedoch nur mit geringer Ladung. Niedrigwasserbedingt war die Zahl der Schiffsunfälle im Jahr 1921 deutlich erhöht, an verschiedenen Abschnitten wurden kurzzeitige Sperrungen des Fahrwassers notwendig.
Im Rheinland und auch im Rheinstrom ereigneten sich Fischsterben, am Niederrhein insbesondere unterhalb von Ruhrort, und die Aalfischerei im Rhein verzeichnete erhebliche Mindererträge. [1] bis [4][6]

Stoffliche Belastung

Wasserbeschaffenheit Rhein 1920-1921
Tab. 1: Wasserbeschaffenheit des Rheins bei Düsseldorf-Flehe während unterschiedlicher Wasserführung im Zeitraum 1920-1921 (Mittelwerte, Probenzahl nicht angegeben); nach [2]

Untersuchungsergebnisse zur Wasserbeschaffenheit des Rheins während des Niedrigwassers 1921 im Vergleich zu vorhergehenden Hoch- und Mittelwasserphasen liegen vom Wasserwerk Düsseldorf-Flehe vor (Tab. 1). Die Werte deuten insgesamt auf eine geringe Belastung des beprobten Niederrheinabschnitts hin. Zur Zeit des Niedrigwassers zeigte sich als Folge der Aufkonzentration ein deutlicher Anstieg der Gesamt-Härte, der Chloridkonzentration und der mittels Kaliumpermanganat-Verbrauch gemessenen organischen Belastung. [2]

Quellen, Literatur, Berichte

  • [1] Eckardt, W.R. (1922): Über die Ursachen der Trockenheit 1920/21 und deren wirtschaftliche Folgen am Niederrhein und im Ruhrgebiet. - Wirtschaftliche Nachrichten aus dem Ruhrbezirk 3: (15): 718-722, Essen
  • [2] Lang, A. (1922): Einwirkungen und Ergebnisse der außergewöhnlichen Trockenheit des Jahres 1921 bei den Grundwasserwerken im Rheintal mit besonderer Berücksichtigung der Beobachtungen beim Düsseldorfer Wasserwerk. - Das Gas- und Wasserfach 65 (38): 601-606, München
  • [3] Offergeld (1922): Wasservorratsbewegung in den Trinkwassertalsperren. - Das Gas- und Wasserfach 65: (43): 681-686, München
  • [4] Schleichert, H. [1922]: Die deutsche Rheinschiffahrt im Jahre 1921. - In: Zeitler, R. (Hrsg.): Wasserstraßen-Jahrbuch 1922. - Verl. R. Pflaum: 51-56, München
  • [5] Sassenfeld, M. (1923): Die Trockenheit im Jahre 1921 im Rheingebiet. - Meteorologische Zeitschrift 40: 93, Stuttgart
  • [6] Stelkens (1923): Von der Rheinschiffahrt 1921 und der Tätigkeit der Zentralkommission. - Zentralblatt der Bauverwaltung 43 (99/100): 595-596, Berlin
  • Preußische Landesanstalt für Gewässerkunde (Hrsg.) (1925): Jahrbuch für die Gewässerkunde Norddeutschlands: Abflußjahr 1922. - E.S. Mittler und Sohn, Berlin
  • [7] Heineck, F. (1925): Bilder von dem niedrigen Wasserstand des Rheines im Sommer 1921. - Jahrbücher des Nassauischen Vereins für Naturkunde 77: 79-80, 4 Taf., München u. Wiesbaden
  • [8] Henze, H. (1926): Ergebnisse der Niederschlags-Beobachtungen in den Jahren 1921-1923. - Veröffentlichungen des Preußischen Meteorologischen Instituts 342: I-XVI, 1-95, Berlin
  • Preußische Landesanstalt für Gewässerkunde (Hrsg.) (1927): Jahrbuch für die Gewässerkunde Norddeutschlands: Abflußjahr 1921. - E.S. Mittler und Sohn, Berlin
  • Grunow, J. (1931): Über die Ursachen großer Trockenheit in Mitteleuropa. - Dissertation. Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin: 1-31, Anh., Berlin
  • Wachter, H. (1934): Der Sommer 1934 im Vergleich mit 1911 und 1921. - Das Wetter 51: (12): 405-407, Leipzig
  • [9] Grunow, J. (1935): Die Wasserklemmen der Norddeutschen Ströme in den Jahren 1891-1930. - Forschungen zur Deutschen Landes- und Volkskunde 31 (2): 1-74, 3 Taf., Stuttgart
  • Schwandt, D. & Hübner, G. (2014): Historical water-quality measurements during low-flow events - examples from the rivers Elbe and Rhine - Poster. Hydrological extreme events in historic and prehistoric times (HEX), 10.-13. Juni 2014, Bonn
  • Schwandt, D., Helms, M., Hübner, G., Belz, J. U. & Wiechmann, W. (2022): Das extreme Niedrigwasser des Jahres 1921 in den großen Flüssen Deutschlands im Vergleich zum Niedrigwasser 2018. - Hydrologie und Wasserbewirtschaftung 66 (5): 225-243, Koblenz
  • Schwandt, D., Helms, M. & Hübner, G. (2023): Analyse der flussgebietsübergreifenden extremen Niedrigwasser der Jahre 1921, 1947 und 2018 in Deutschland. - Forum für Hydrologie und Wasserbewirtschaftung 44.23: 33-43, Hennef