Hochwasserereignisse im Rheingebiet: Das Hochwasser im Januar / Februar 1995

Hydrometeorologische Situation

Nachdem bereits Ende Dezember 1994 in den höheren Mittelgebirgsregionen örtliche Starkniederschläge gefallen waren, brachten mehrere Niederschlagsperioden im Januar 1995 dem gesamten Rheingebiet ergiebige Niederschläge. Vom 1.1.-3.1. fielen Schnee- und Graupelschauer, die in den Mittelgebirgen den Aufbau einer (in den höheren Lagen bis zu 30 cm mächtigen) Schneedecke bewirkten. Während des Zustroms feuchter maritimer Polarluft in der Zeit vom 9.1.-12.1. kam es zu flächenhaften ergiebigen Niederschlägen - im Tiefland als Regen, so daß die vorhandene Schneedecke teilweise schmolz; in höheren Lagen als Schnee, so daß die Schneedecke weiter anwuchs. Eine daran anschließende trockene Hochdruckwetterlage mit milder Festlandsluft verursachte ein kontinuierliches Abschmelzen der Schneedecke. Vom 18.1.-21.1. überquerten Tiefausläufer das Rheingebiet, die für ergiebige Regenfälle bis in die Hochlagen der Mittelgebirge insbesondere im Moselgebiet sorgten.
Hochwasserauslösend war eine vom 22.1.-30.1. andauernde Niederschlagsperiode. Während dieser Großwetterlage "zyklonale Westlage" wurden in rascher Folge maritime Kaltluft und maritime Warmluft herangeführt, die in verschiedenen Frontensystemen für räumlich und zeitliche variierende ergiebige Niederschläge sorgten. So regnete es besonders heftig am 21./22.1. im Einzugsgebiet der Mosel, Nahe und Lahn, am 23.1. im Einzugsgebiet der Aare, am 25.1. im Oberrheingebiet, in den Einzugsgebieten von Aare, Neckar, Main, Nahe und Mosel, am 29.1. im Einzugsgebiet der Ruhr, Lippe und Emscher. Aufgrund der einfließenden Warmluft (in Verbindung mit Regen) schmolz am 22./23.1. in den Mittelgebirgen die z.T. noch mächtige Schneedecke fast komplett, so daß erhebliche Mengen Schmelzwasser freigesetzt wurden. Bis zu 100 mm Tagesniederschlag wurden während dieser Periode an einzelnen Messstationen registriert und bis zu ca. 40 mm Tagesgebietsniederschlag für einzelne Einzugsgebiete ermittelt. Im Einzugsgebiet von Main, Nahe, Mittel- und Untermosel (incl. Sauer und Saar) fielen innerhalb dieser 9tägigen Niederschlagsperiode ca. 200 % bis 250 % des gewöhnlichen Niederschlags des gesamten Monats Januar. [1][4]

Ablauf des Hochwassers

Durchflussverlauf Hochwasser 1995
Abb. 1: Durchflüsse (Tagesmittelwerte: 01.01. - 28.02.1995) an ausgewählten Pegeln im Rheingebiet

Als Folge der wiederholten Niederschlagsperioden kam es im Einzugsgebiet insbesondere an Mittel- und Niederrhein sowie den Nebenflüssen Main, Nahe, Mosel und Sieg zu einem steilen Anstieg der Wasserführung (z.B. am 23./24.1. Wasserstandszunahme von mehr als 5 m / 24 h an der Untermosel).
Am Hochrhein (Pegel Basel) war die Hochwassersituation von sehr kurzer Dauer. Die Zuflüsse aus Schwarzwald, Vogesen und aus dem Neckargebiet bewegten sich im Normalbereich, so daß die Hochwasserwelle bis zum Pegel Worms abflachte. Durch Überlagerung mit Hochwasserzuflüssen aus Main und Nahe ergab sich eine deutliche Aufhöhung der Hochwasserwelle an den Pegeln Mainz und Kaub, wo die Durchflüsse des Weihnachtshochwassers von 1993 überschritten wurden. Am 30.1.1995 erreichte nach Aufnahme des Hochwasserzuflusses der Mosel (in der Spitze ca. 600 m³/s niedriger als 1993) der Hochwasserscheitel des Rheins den Pegel Andernach. Durch den Hochwasserzufluss der Sieg wurde die Hochwasserwelle weiter aufgehöht und passierte den Pegel Köln am 30.1. mit einem Pegelstand von 1069 cm (6 cm höher als beim Weihnachtshochwasser 1993). Am Pegel Rees betrug am 31.1.1995 der Durchfluß zum Scheitelpunkt der Hochwasserwelle knapp 12000 m³/s und lag damit über dem Weihnachtshochwasser 1993 und nur knapp unterhalb des höchsten bekannten Durchflusses des Hochwassers vom Januar 1926. Von der Abflussfülle (insbesondere in den oberen Durchflussbereichen) war das Rheinhochwasser im Januar 1995 am Niederrhein das größte Ereignis im 20. Jahrhundert. [1][4]

Schadensbilanz

Koblenz, Pegelhaus, Hochwasser Januar 1995
Abb. 2: Hochwasser des Rheins am Pegelhaus in Koblenz, Januar 1995

In zahlreichen Städte und Gemeinden am Rhein und den Zuflüssen wurden Straßen und Häuser überflutet, es kam zu Stromausfällen und Schäden an der Infrastruktur. 5 Todenopfer waren zu beklagen. Der Gesamtschaden im deutschen Rheineinzugsgebiet wurde auf 550 Mio. DM beziffert ([5] ).
Aufgrund der Überschreitung der höchsten schiffbaren Wasserstände mußte die Schiffahrt zeitweise auf einzelnen Flussabschnitten eingestellt werden (ca. 10 Tage Rhein zwischen Koblenz und Emmerich, 7 Tage zwischen Mainz und Koblenz; 9 - 14 Tage Main, Saar, Mittel- und Untermosel). Verluste für die Schiffahrt entstanden in Höhe von ca. 50 Mio. DM.
In der Stadt Köln betrug der Schaden ca. 65 Mio. DM (halb so viel wie beim Weihnachtshochwasser 1993), 4000 Bürger waren durch die Überschwemmungen direkt betroffen. Die Zahl der Ölunfälle reduzierte sich auf 6 gegenüber 100 (1993). Bauliche Veränderungen (Höherlegung elektr. Verteilungen und Heizungsanlagen), Nachbarschaftshilfe und die Reduzierung des Schadenspotentials (Räumung überflutungsgefährdeter Stockwerke) trugen zur Schadensminderung bei.
In den Niederlanden wurden mehr als 200000 Menschen evakuiert, da mit Deichbrüchen und großflächiger Überflutung von Poldern (die glücklicherweise nicht eintraf) gerechnet wurde. [1][4][5]

Stoffliche Belastung

Ergebnisse von Hochwasseruntersuchungsprogrammen der Bundesländer und der BfG wurden durch die Deutsche Kommission zur Reinhaltung des Rheins zusammengestellt. Während des Hochwassers war die Schwebstoffkonzentration an Rhein und Mosel gegenüber den Mittelwerten ca. 12 - 14 fach erhöht, die Schwebstofffracht im Zeitraum 22.1. - 12.2.1995 betrug an Mosel und Main 75% bzw. 85% der mittleren Jahresfracht, am Niederrhein ca. 50% der mittleren Jahresfracht [1987-94]. Die Schadstoffkonzentrationen (Schwermetalle) in den Schwebstoffen entsprach in etwa normalen mittleren Verhältnissen, aufgrund der höheren Schwebstofffracht war die Schwermetallfracht jedoch ebenfalls erhöht. Etwa 10 - 30 Prozent einer Jahresfracht (Bezugsjahr 1992) wurde während des wenige Tage andauernden Hochwasserereignisses transportiert.
Eine starke Zunahme der Fracht erfolgte auch für Hexachlorbenzol (HCB), einer Altlast, die in hohen Konzentrationen in Oberrheinsedimenten gebunden vorliegt und bei großen Hochwasserwellen remobilisiert wird.
Bei den in Wasser gelösten Nährstoffen und Salzen (z.B. Ammonium, Nitrat; Chlorid) waren aufgrund der hohen Verdünnungswirkung der Wassermassen die Konzentrationen gegenüber Normalbedingungen an den meisten Messstationen am Rhein und den Nebenflüssen weitaus niedriger, die Fracht jedoch fast durchgängig um ein Mehrfaches erhöht.
Bei Elementen, deren Transport vorrangig über die Wasserphase erfolgt (z.B. Natrium, Magnesium, Calcium, Kalium, Nickel), waren die Konzentrationen deutlich unterdurchschnittlich (Nickel überdurchschnittlich), die Fracht jedoch um ein Mehrfaches erhöht. [1][2][3]

Quellen, Literatur, Berichte